BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Schönaich / Steinenbronn / Waldenbuch

Wirtschaftsminister Habeck

Von Dr. Harry Barowski

18.05.23 –

Die aktuelle Diskussion um die Person des Staatssekretärs Patrick Graichen und der „Vetternwirtschaft“ ist in einer Demokratie sicher berechtigt. Mit der Entlassung von Patrick Graichen ist nun die Personaliendebatte um familiäre Verflechtungen mit Instituten und Behörden beendet und hoffentlich die Aufmerksamkeit wieder bei Sachpolitik angekommen. Den Minister Habeck anzugreifen, mag gerade gelegen kommen, da jedem Menschen bewusst wird, daß Klimaschutz uns alle persönlich berührt: Kosten und Inflation steigen, gewohnte Dinge wie Mobilität oder gar das Heizen müssen sich ändern, Energiekosten steigen für Menschen und Betriebe. Aber betrachten wir das doch mal basierend auf Fakten:

Abwenden einer Energiekrise über den Winter

Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wird klar, dass fossile Energieträger oft aus Staaten stammen, die es mit demokratischen Werten, internationalen Abkommen der Völkerverständigung und Menschenrechten nicht so genau nehmen. Der große Einfluss der Fossilwirtschaft auf die Politik verstärkt - weil oft Staatskonzerne Geld und Macht verknüpfen - diese Tendenz. Die einseitige Auslegung auf Gas als Zwischenlösung zu 100% erneuerbare Energien war in der Vergangenheit eben eine politische Fehlentscheidung, das haben wir somit schmerzlich erfahren. Robert Habeck und sein Ressort haben es aber geschafft, Deutschland trotz der starken Abhängigkeit mit Pragmatismus gut durch den Winter zu bringen: Alle Untergangsszenarien wie Energiemangel, langanhaltende Stromausfälle, überteuerte Energiepreise und dramatischer Rückgang der Wirtschaft sind allesamt nicht eingetreten. Das ist ein Verdienst Habecks und seines Hauses. Das wird heute gerne übersehen.

Atomenergie - Abschalten ist richtig!

Indes wird die Atomkraft im Weiterbetrieb gefordert, um die „Grundlast“ abzusichern. Physikalisch gesehen sind AKW hier die völlig falsche Lösung, denn: AKWs sind mithin keine günstigen Energieerzeuger - die Mär hält sich in einigen Kreisen. Sie sind auch nicht besonders effizient. Atomenergie wird als Quelle zur Dampferzeugung genutzt, mit der Energiedichte von zig Tauchsiedern pro Liter Wasser. Damit wird Dampf erzeugt, welcher dann die Turbinen antreibt. Aus Sicherheitsgründen wird der Dampf allerdings recht kalt (300° C) gehalten, im Gegensatz zu Gaskraftwerken mit >400° C, wodurch der thermodynamische Wirkungsgrad nicht über 35% hinauskommt. So gesehen werden fast 2/3 der Atomenergie in Flüsse oder in die Atmosphäre weggekühlt.

Das Hauptproblem der Kernenergie aber ist und bleibt der Atommüll, der bis zu einer Million Jahre als strahlendes Gefahrgut sicher verwahrt werden muss. Das ist ein Zeitraum, der schier nicht zu überdenken ist - ein Endlager wird es daher vermutlich nie geben. AKWs sind nicht flexibel steuerbar - das Argument der „Grundlast“ ist überholt, denn: Starre Kraftwerksleistung, die nicht schnell regelbar ist, verhindert den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien. Grundlast ist antiquiert, weil es nicht um eine stetige konstante Last geht, sondern vielmehr zu jeder Zeit die genau benötigte Energiemenge schnell bereitgestellt werden muss.

Aber sind AKWs die Lösung zur CO2-Reduktion und damit zur Klimawende: Nein, sie bringen auch in Frankreich nur einen geringen Anteil zur Primärenergie des Landes - denn Elektrizität ist bis dato nur eine Komponente des Energiemixes eines Landes. Allein die 15 deutschen AKW zusammen bringen nur die Leistung eines derzeit aktuell in China installierten Solarfeldes mit 20GW(!) elektrischer Energie. China investiert vor allem in erneuerbare Energien - nicht wie behauptet in überwiegend fossile oder Atomkraftwerke. In Deutschland brachten diese 15 AKWs zusammen in Hochzeiten nicht einmal 6% der Gesamtenergie des Landes. Der Bau und Unterhalt eines AKWs, sowie die Beschaffung von Brennelementen sind teuer, zeitintensiv, technisch anspruchsvoll und mit Sicherheit nicht klimaneutral. Vom inhärentem Risiko eines sicher unwahrscheinlichen aber nicht auszuschliessenden Störfalls mal abgesehen.

Wärmesektor und Energiewende: Keine fossile Zukunft 

Nun das Thema Wärmewende: Der Wärmesektor benötigt in Deutschland fast 50% der Primärenergie - damit ist für Energiewende und Klimaschutz unabdingbar, das Heizen in Zukunft nicht weiter auf fossilen Füssen stehen darf. Als Physiker kenne ich keine effizientere Heizungstechnik als die Wärmepumpe, die übrigens bereits in kleiner Form in jedem Haushalt steht: Jeder Kühlschrank benutzt genau diese Technik:

Ein Kältemittel wird mit Wärme verdampft, das Gas dann mit einem Kompressor komprimiert, die dabei entstehende Temperatur zum Heizen abgeführt; das abgekühlte Gas kondensiert nun wieder zu einer Flüssigkeit, die über eine Düse entspannt und dabei weiter abgekühlt wird. Dann beginnt der Kreislauf von vorne. Das - der Physiker spricht von - Wärme-Reservoir für die Verdampfung des Kältemittels ist entweder das Innere eines Kühlschranks oder eben die Aussenwelt (Luft, Wasser, Erde), die damit abgekühlt werden. Das zweite Reservoir, in dem die erzeugte Wärme abgegeben wird ist in jedem Fall der Innenraum; in jedem Fall wird das Zimmer geheizt. Genial an diesem Prinzip ist der Wirkungsgrad, oder besser die Wirkzahl: Pro eingesetzter kWh im elektrisch betriebenen Kompressor werden zwischen der 3- bis 5-fachen Menge an Wärme gewonnen, sprich „gepumpt“! Es gibt - auch in Zukunft - physikalisch kein besseres Verfahren.

Allerdings wird die Wärmepumpe derzeit auch durch Fördergelder und der Marktlage (Angebot und Nachfrage, Fachkräftemangel) nicht sachgerecht bezahlt: Die Preise sind derzeit sicher überteuert. Zudem sind für ältere Immobilien energetische Sanierungen notwendig. Aber auch hier gilt: Gebäude zu isolieren ist immer - auch bei fossilen Heizungen - notwendig, zumal aufgrund der CO2-Folgen für das Klima und unsere Umwelt die Kosten fossiler Energieträger bis 2045 stark steigen werden.

Dabei ist der Zertifikatehandel nur ein europaweites politische Mittel, die Klimaschäden marktwirtschaftlich einzupreisen. Da die Zertifikate gedeckelt sind, wird auch hier der Markt die Preise setzen und Öl und Gas deutlich verteuern müssen. Ab 2027 greifen die Kosten von CO2-Zertifikaten auch bei Heizöl und Gas: Pro Familie wird mit 16.000€ Zusatzkosten für Brennstoff gerechnet. 

Wer nun glaubt, Wasserstoff (also H2-ready) Heizungen würden eine technologieoffene Alternative darstellen, der irrt: Zum einen wird grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht für Heizen und für Mobilität im Überfluss vorhanden sein, denn die (chemische) Industrie und Stahl- und Zementproduktion werden diese Energieform benötigen. Ebenso aber wird Wasserstoff als saisonaler Speicher für erneuerbare Energien gefordert.

Für Heizungen ist Wasserstoff gleich zweimal ungünstig: Viele Gasleitungen sind nicht geeignet, 100% Wasserstoff als leicht flüchtiges Gas mit Versprödungsneigung des Leitungsmaterials zu transportieren. Und selbst wenn, müssten alle Gasheizungen damit zurecht kommen - sonst sind allenfalls Beimengungen bis 20% möglich. Es wird vermutlich nie wirklich Wasserstoff bis 2045 in die privaten Haushalte kommen - somit wird ein weiterer Heizungstausch wahrscheinlich, wenn man auf H2-ready Gasthermen setzt. Zudem bleibt Wasserstoff teuer und hat im Vergleich zu Gas nur 50% Heizwert: Der Verbrauch in qm wird steigen, Heizkosten durch hohe Preise pro qm H2 deutlich zunehmen.

Wärmepumpen und Wärmenetze, die Abwärme nutzen, sind auf Dauer die optimalen klimaschonenden Heizungsformen - weltweit! Die Niederlande, Dänemark und Skandinavien sind hier seit Jahrzehnten Vorreiter, die USA investieren massiv in Wärmepumpen.

Der Wirtschaftsminister hat hier eine klare Erkenntnis in ein Gebäudeenergiegesetz eingebracht, dass nicht jedem Gefallen mag. Aber am Ende ist es wissenschaftlich nicht anzufechten. Und der Staat zeigt hier steuernde Wirkung. Um es klar zu sagen: Die bisherigen Heizungsformen werden in wenigen Jahren/Jahrzehnten unbezahlbar! Daher ist es nur richtig, wenn der Staat jetzt finanzielle Beihilfen gibt, die Heizungen bis 2045 klimaneutral umzustellen.

Und umso mehr muss man enttäuscht sein, dass Kommunen - wie etwa Schönaich - in neuen Baugebieten oft versäumen, ein Wärmenetz vorzusehen. So könnte effizient jeder Haushalt mit Wärme versorgt werden und Umstellung auf eine neue Energieform wäre nur an einer Stelle notwendig: Beim Blockheizkraftwerk (BHKW), das die Wärme ins Netz speist. Nun muss jedes Haus seine - bestenfalls - Wärmepumpe einzeln einbauen.

Mobilität und Antriebswende: Batterie im Vorteil

Die Verkehrswende ist leider auch schleppend, auch wenn mittlerweile die erste Million Elektroautos in Deutschland zugelassen sind. Die Automobile der Zukunft werden keinen Verbrennungsmotor haben - auch und trotz der eFuels. Sie werden vermutlich auch keine Wasserstoff benutzen (Schwerverkehr mal ausgenommen). Denn: eFuels sind weder günstig, noch in ausreichender Menge verfügbar, noch sind sie schadstofffrei. Zudem sind sie wenig geeignet, deutsche Arbeitsplätze zu sichern: Die großen Märkte wie China, in des jedes 3. produzierte Auto heute verkauft wird, steht auf Elektromobilität. Allein die deutschen Autobauer, die von chinesischen Absatzmarkt heute leben, besitzen im chinesischen Automarkt nur noch ein Nischendasein. Fossile Fahrzeuge sind dort ein Auslaufmodell. Andere Länder folgen. Nur DritteWelt-Länder sind derzeit noch auf absehbare Zeit fossil unterwegs, diese Länder werden aber keine hochpreisigen Neuwägen kaufen.

Übrigens wird auch hier das Thema eFuels nicht funktionieren. Um eFuels zu erzeugen werden mit grünen Wasserstoff und CO2 Wasserstoffketten synthetisiert, die dann in Verbrennungsmotoren verbrannt werden können. Aber die Herstellung von grünem Wasserstoff ist ineffizient und bedarf großer Mengen an erneuerbaren Energien. Dazu muss das CO2 zusätzlich für die Synthese gesammelt werden. Auch mit eFuels im Motor wird ein Fahrzeug bewegt, das 85% der eingesetzten Energie in Wärme verwandelt und nur ca. 15% in Bewegungsenergie. Zum Vergleich: Bei einem batterieelektrischen Fahrzeug sind es bis zu 70%. Fakt ist: Bei gleicher Fahrleistung bedarf es bei eFuels bis zu 5-fachen Energiemenge gegenüber rein elektrischen Fahrzeugen.

Wasserstoffbrennstoffzellen sind komplexe Technologien, wartungsintensiv, schwer und teuer. Zudem ist jedes Brennstoffzellenfahrzeug ein Elektroauto mit einem hybriden Energiesystem: Das heißt: Um Spitzenlasten abzufedern und Rekuperationsleistung zu speichern ist eine Batterie notwendig. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle muss in carbon-verstärkten Tanks untergebracht werden, die dem Druck von 800bar standhalten. Insgesamt ist der Transport und das Betanken mit H2 aufwendig und energieintensiv. Die Brennstoffzelle wiederum hat ein Effizienz von max 60% - so dass am Ende auch hier die 3-fache Energie eingesetzt werden muss im Vergleich zu rein batteriegetriebenen Fahrzeuge für gleiche Fahrleistungen.

Moderne und zukünftige Batterien werden günstiger, fassen mehr Energie und können daher auch deutlich schneller geladen werden (bezogen auf 100km Fahrstrecke). Stoffkreisläufe (Recycling) werden Ressourcen und Material schonen. Und die Fahrdynamik eines Elektromotors ist mit Verbrennungsmotoren nicht erreichbar - es bleibt Geschmacksache, ob Motorengeräusche Geschwindigkeit und Fahrdynamik vermitteln.

Ausbau erneuerbarer Energien und Beschleunigte Verfahren

Zum Thema Ausbau der erneuerbaren Energien: Viele Massnahmen zur Prozessbeschleunigung und Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien sind politisch vorbereitet. Verwaltungen, Kommunen, Industrie sind nun gefordert, den Ausbau erneuerbarer Energien drastisch schneller in der Praxis umzusetzen. Das erfordert Planungen, Genehmigungen und Investitionen. Fakt aber ist, dass - wenn der Umbau abgeschlossen ist - Energie in günstiger und unbegrenzter Form verfügbar ist: Die Sonne und damit auch der Wind schicken keine Rechnungen. Auf Kernfusion zu setzen oder andere Technologiewunder ist ein Spiel mit dem Glück: Es gibt keine Garantie, dass diese Technologien je kommen werden, und wenn doch, mit großer Sicherheit zu spät.

Der kluge Mensch nutzt das, was es heute schon gibt und hofft nicht auf ein Wunder.

So gesehen ist die Arbeit des Wirtschaftsministers solide, basiert auf wissenschaftliche Fakten und lebt aber auch im Kompromiss mit den Koalitionspartnern, die allerdings andere politische Ziele verfolgen. Vermeintliche Technologieoffenheit ist nur solange gut, als sie nicht im Blick auf, "Wir warten, bis besseres kommt..." die dringend notwendige Energiewende bremst. Denn die verbleibende Zeit ist nicht verhandelbar - es drängt!

Man muss Robert Habeck und die Grünen nicht mögen. Aber die Zeichen der Zeit politisch umzusetzen und dennoch den Zukunftsstandort und den Wohlstand zu sichern, das glaube ich, weiß Robert Habeck und sein Haus managen. Und an fehlendem Engagement mangelt es nicht: Im Gegenteil, die schnell kommenden Änderungen werden manch einen überfordern - nur ist es leider angesichts des Klimawandels notwendig.

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